EHS als normales Vermeidungsverhalten

Aktualisiert am 26.10.2025
Interview mit Professor Johansson, Spezialist für elektromagnetische Überempfindlichkeit.
In diesem Interview wird eine Arbeitshypothese zur elektromagnetischen Überempfindlichkeit vorgestellt, die man als normales Vermeidungsverhalten gegenüber einer potenziell toxischen Umgebung verstehen sollte. Entwickelt werden Analogien, biologische und soziale Auswirkungen untersucht. Es wird auch auf gängige Einwände eingegangen.
FRAGEN UND ANTWORTEN
Was ist Ihre Arbeitshypothese zur elektromagnetischen Überempfindlichkeit (EHS)?
„Meine Hypothese lautet, dass Menschen, die als elektrosensibel beschrieben werden, ein völlig normales Vermeidungsverhalten zeigen. Sie reagieren auf Umweltsignale und versuchen, sich von ihnen zu entfernen, genau wie jeder andere Organismus, der eine Bedrohung wahrnimmt. Anstatt diese Reaktionen als bloßen „Glauben” zu betrachten, ist es sinnvoll, sie als biologische Schutzstrategie zu sehen.“
Sie haben eine Analogie zur Sonneneinstrahlung gezogen. Können Sie das näher erläutern?
„Ja. Wenn Sie sich in der Sonne aufhalten und Ihre Haut sich rötet, ist es sinnvoll, sich zurückzuziehen, um einen Sonnenbrand zu vermeiden. Das ist eine normale Vermeidungsreaktion, die die Haut und die tiefer liegenden Organe vor Schäden schützt. Umgekehrt riskiert eine Person, die diese Warnung nicht wahrnimmt, schwere Schäden. Ich verwende diesen Vergleich, um zu zeigen, dass die Reaktion auf eine Umweltbelastung adaptiv und nicht pathologisch ist.“
Was bedeutet dann der Ausdruck „EHS wäre die neue Normalität“?
„Ich schlage vor, dass diejenigen, die diese Belastungen spüren und vermeiden, biologisch gesehen besser dafür geeignet sind, eine Gefahr zu erkennen. Andere Personen hingegen reagieren nicht darauf und bleiben der Belastung ausgesetzt. Man könnte sagen, dass es zwei Gruppen gibt: die „elektrohypersensiblen“ Menschen, die sich der Strahlung entziehen, und diejenigen, die ich als „elektrohyposensibel“ bezeichne, die weniger empfindlich auf nichtionisierende Strahlung, wie beispielsweise bestimmte Mobilfunkstrahlung, zu reagieren scheinen.“
Sie erwähnen auch eine immunologische Dimension. Können Sie das näher erläutern?
„Ja. Es ist möglich, dass diejenigen, die nicht reagieren, ein Immunsystem haben, das weniger empfindlich auf diese Signale reagiert. Man könnte langfristig in Betracht ziehen, die Immunreaktionen anzupassen oder „neu zu kalibrieren”, um potenziell schädliche Belastungen besser erkennen und bekämpfen zu können. Das ist heute noch nicht möglich, aber es ist ein Ansatz für die Zukunft.“
„Was würde passieren, wenn in Zukunft alle Menschen elektrosensibel würden? Das wirft interessante Fragen auf. Wenn eine erhöhte Empfindlichkeit allgemein verbreitet wäre, müsste die Gesellschaft ihre Infrastruktur und ihre Expositionsnormen anpassen. Politische, industrielle und gesundheitliche Veränderungen wären notwendig, um die Expositionsquellen zu reduzieren und das kollektive Wohlbefinden zu schützen.“
Wie reagiert die Gesellschaft derzeit auf Menschen mit EHS?
„Leider gibt es oft negative oder spöttische Reaktionen. Im Tierreich würde eine Spezies, die Gefahren erkennen und vermeiden kann, gelobt werden; Wissenschaftler würden eine Dokumentation darüber drehen und ihre Anpassungsfähigkeit bejubeln. Bei Menschen hingegen sind die Reaktionen allzu oft von Leugnung geprägt: Es wird behauptet, dass diese Expositionen nicht schädlich sein können und dass die Symptome eingebildet sind.“
Was antworten Sie Skeptikern, die behaupten, dass alles „Einbildung” ist?
„Es ist wichtig zu erkennen, dass es keine wissenschaftliche Antwort ist, die Symptome mit einer Handbewegung abzutun und zu sagen: „Das bilden Sie sich nur ein”. Menschen, die elektromagnetische Umgebungen meiden, berichten von realen Symptomen und passen ihr Verhalten entsprechend an. Die Forschung muss diese Phänomene rigoros und offen untersuchen, anstatt die Zeugen dieser Erfahrungen zu stigmatisieren.“
Was sind die praktischen Auswirkungen und was empfehlen Sie?
Aus dieser Perspektive ergeben sich mehrere Konsequenzen:
- Vermeidungsverhalten als potenziell adaptive Reaktion anerkennen, nicht als bloße Überzeugung.
- Die Forschung zu den Auswirkungen nichtionisierender elektromagnetischer Felder und zu den biologischen Mechanismen, die der Empfindlichkeit zugrunde liegen, verstärken.
- Maßnahmen zur Expositionsreduzierung in öffentlichen Räumen zum Schutz empfindlicher Personen in Betracht ziehen.
- Einen respektvollen und nicht stigmatisierenden Ansatz gegenüber denjenigen verfolgen, die ihr Verhalten ändern, um sich zu schützen.
Ein letztes Wort zum Abschluss?
Es ist faszinierend und wichtig, diese Fragen unter dem Gesichtspunkt der biologischen Anpassung zu diskutieren. Anstatt zu verspotten oder zu ignorieren, sollten wir untersuchen, zuhören und gegebenenfalls unsere Umgebung anpassen. Vorsicht und Forschung sollten unsere Reaktionen auf die Signale leiten, die uns bestimmte Mitglieder der Bevölkerung senden.
Wichtige Punkte
- Elektromagnetische Überempfindlichkeit kann als normales und schützendes Vermeidungsverhalten verstanden werden.
- Der Vergleich mit der Vermeidung von Sonnenlicht veranschaulicht die Idee einer adaptiven Reaktion.
- Es besteht eine Polarität zwischen reaktiven und nicht reaktiven Personen, mit Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit.
- Die Stigmatisierung von EHS-Personen beeinträchtigt das notwendige Verständnis und die Forschung. facebook.com
Das Interview auf Englisch
In der Natur würden andere Arten für ihr normales Vermeidungsverhalten gelobt werden, aber nicht so bei EHS-Betroffenen.



